Der Rosenstein-Pavillon ist ein Beitrag zur Materialeinsparung im Bauwesen: das poröse Schalentragwerk ist um 40 % leichter, als eine massive Schale gleicher Tragfähigkeit. Er wurde mit Optimierungsverfahren entwickelt, die Material nur dort platzieren, wo es statisch notwendig ist. Dadurch bildet sich die gradierte Porosität aus, die ihm sein filigranes Erscheinungsbild verleihen. Er ist ein Beweis dafür, dass Strukturoptimierung neue Gestaltungspotenziale in der Architektur freisetzt.
Der Rosenstein-Pavillon wurde für die Sonderausstellung “Baubionik - Biologie beflügelt Architektur” im Schloss Rosenstein in Stuttgart entworfen und gebaut. Die Ausstellung bildete die Abschlusspräsentation aller Ergebnisse der ersten Förderphase des Sonderforschungsbereichs TRR-141 “Biological Design and Integrative Structures”.
Die Konzeption des Pavillons fußt auf einem Forschungsvorhaben, das durch die Umsetzung natürlicher Optimierungsstrategien die Grenzen der Materialeinsparung im Hochbau auslotet. Die Materialeinsparung stellt dabei keinen Selbstzweck dar, sondern soll den Beitrag des Bauwesens zur Schonung endlicher Ressourcen leisten. Inspiriert von leistungsfähigen biologischen Geweben, wie Knochen und Exoskeletten, wurde daher das Gewicht der Konstruktion durch die Verteilung des Materials entsprechend dem Spannungszustand in der Struktur, auch bekannt als funktionale Gradierung, reduziert. Um dieses Prinzip für den Besucher der Ausstellung sichtbar zu machen, wurde der Spannungszustand in der Konstruktion durch eine funktional gradierte Porosität visualisiert.
Dementsprechend wurde der Rosenstein-Pavillon als poröse Schale konzipiert, die auf vier Stützen stehend eine Fläche von 36 m² überdeckt und auf Grund ihrer optimierten Innenstruktur nur 1,7 Tonnen wiegt. Somit ist der Rosenstein-Pavillon bei gleicher Tragfähigkeit, um 40 % leichter als eine Schale mit durchgehend geschlossener Oberfläche. Die Form sowie die Verteilung der Porosität der Schale wurden so lange in einem iterativen Berechnungs- und Analyseprozess entwickelt, bis der gewünschte architektonische Ausdruck gefunden wurde. Die Gestalt des Pavillons ist somit direkter Ausdruck der intrinsischen Verbindung von Form, Struktur und Material. Die Abmessungen der Schale, wie z.B. die Spannweite zwischen den Säulen (2,58 m) und der Höhe (3,5 m) wurden auf das Stützenraster des Ausstellungsraums abgestimmt. Aufgrund der Fertigungs- und Transportbedingungen wurde die Schale in einzelnen Segmenten vorgefertigt und vor Ort montiert.
Der Rosenstein-Pavillon versteht sich als Beitrag zu einer neuen Art des Entwurfsprozesses, bei dem das Ziel der Ressourcenschonung von Anbeginn des Projektes durch Architekten, Bau- und Fachingenieure gemeinsam aktiv erarbeitet wird. Dabei wird Strukturoptimierung zum Zwecke der Einsparung von Baumaterial als Gestaltungsmittel der entstehenden Architektur verstanden.
Nach der Ausstellung im Naturkundemuseum Stuttgart wurde der Pavillon auch auf Stallwächterparty 2018 der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin sowie auf der BAU 2019 in München als Teil des Standes des Informationszentrums Beton ausgestellt.
VERÖFFENTLICHUNGEN:
Kovaleva, D.; Gericke, O.; Kappes, J.; Haase, W.:
Rosenstein-Pavillon - Auf dem Weg zur Ressourceneffizienz durch Design
Beton- und Stahlbetonbau (6), 2018, https://doi.org/10.1002/best.201800012
Kovaleva, D.; Gericke, O.; Kappes, J.; Tomovic, I.; Sobek, W.:
Rosenstein Pavilion: Design and structural analysis of a functionally graded concrete shell
Structures (18), 2019, https://doi.org/10.1016/j.istruc.2018.11.007
Sobek, W.; Kovaleva, D.; Gericke, O.;
Perforierte Betonschalen
ce/papers, 2019, https://doi.org/10.1002/cepa.993
Kovaleva, D.; Gericke, O.; Wulle, F.; Mindermann, P.; Sobek, W.; Verl, A.; Gresser, G. T.:
Rosenstein-Pavillon: eine leichte Betonschale nach dem Vorbild biologischer Strukturen
Bionisch bauen, 2019, https://doi.org/10.1515/9783035617870-012
PROJEKTPARTNER
Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK), Universität Stuttgart, Prof. Dr. Dr. E.h. Dr. h.c. Werner Sobek
Institut für Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen (ISW), Universität Stuttgart, Prof. Dr.-Ing Alexander Verl
Institut für Textiltechnik, Faserbasierte Werkstoffe und Textilmaschinenbau (ITFT), Universität Stuttgart, Prof. Dr.-Ing. Götz T. Gresser
WISSENSCHAFTLICHE ENTWICKLUNG
Daria Kovaleva, Frederik Wulle, Oliver Gericke, Pascal Mindermann
UNTERSTÜTZUNG BEI DER UMSETZUNG
Daniel Colmenares, Zhitao Kong, Hannah Müller, Christoph Nething, Julian Rettig, Gabriel Rihaczek, Stephanie Rosenfeld, Meiling Sheng, Maya Smirnova, Jannik Stang, Gabriel Stephan, Konstantin Wulle
STATISCHE NACHWEISE
Ivan Tomovic, Jonas Kappes, Marc Hymans
FÖRDERUNG
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Daria Kovaleva
Dipl.-Arch.Wissenschaftliche Mitarbeiterin