Bisherige Gebäudehüllen können aufgrund ihrer konstanten bauphysikalischen und gestalterischen Eigenschaften kaum bzw. gar nicht auf klimatisch sich variierende Außenbedingungen oder veränderliche Nutzeranforderungen reagieren. Ziel ist daher die Entwicklung von Gebäudehüllsystemen, deren Eigenschaften veränderlich sind, beispielsweise in ihrer Lichttransmission, ihrer Schallabsorption, ihrer Energiereflexion, ihrer mikroklimatischen Wirksamkeit für den Stadtraum, ihres Wärmedurchgangs oder ihrer äußeren Gestaltung. Solche anpassungsfähigen Hülllösungen können selbsttätig oder geregelt für unterschiedlichste Umgebungssituationen und Nutzeranforderungen die jeweils optimale Innen- und Außenraumsituation herbeiführen. Bei der Entwicklung und Umsetzung adaptiver Fassaden stehen die Minimierung des Material-, Ressourcen- und Energieeinsatzes zur Raum- und Stadtraumklimatisierung, die vollständige Rezyklierbarkeit neben der Funktionsoptimierung und der Nutzerkomfortsteigerung im Vordergrund.
Textile oder folienbasierte mehrlagige Hüllen bieten ein großes Potential zur Integration adaptiver Funktionen in die Fassade und stellen daher neben der Weiterentwicklung schaltbarer Verglasungen einen Schwerpunkt der Forschung im Bereich adaptiver Hüllen dar. Die Weiterentwicklung der flüssigkristallbasierten Gläser erfolgt mit dem Ziel kleinteilig strukturierte und ansteuerbare Segmente zu schaffen, die in besserer Weise die Tageslichtautonomie sowie den Blendschutz sicherstellen können, als die bisher bekannten großflächig schaltbaren Verglasungen dies vermögen. Zur effektiven Ansteuerung der adaptiven Komponenten werden Regelungsstrategien auf der Basis linearer Programmierung wie auch selbstlernende KI-Systeme entwickelt, getestet und optimiert.
Die Auslegung der Hüllaufbauten erfolgt unter Einsatz diverser Softwareprogramme zur wärme- und strahlungstechnischen Bilanzierung. Für die Quantifizierung der entwickelten Hüllen und Rahmensysteme stehen am Institut diverse Mess- und Versuchseinrichtungen (Hotbox, Photospektrometer, FTIR-Spektrometer, Verdunstungsprüfstand, Sonnensimulator) zur Verfügung. Im realen Einsatz in der Fassade können die entwickelten Elemente im institutseigenen Fassadentestgebäude untersucht, vermessen und auch bezüglich ihres Einflusses auf die Behaglichkeit im Innenraum sowie den für die Konditionierung nötigen Energieaufwand bilanziert werden.
Aktuelle Forschungsprojekte:
Seit Januar 2017 gehen vierzehn Institute der Universität Stuttgart in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der Frage nach, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Ressourcen künftig mehr Wohnraum mit weniger Material geschaffen werden kann. Ziel des SFB 1244 ist es, für das Bauwesen Antworten auf die drängenden ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit zu finden. Die Integration von adaptiven Elementen in tragende Strukturen, Hüllsysteme und Innenausbauten wird hierfür als ein wichtiger Ansatz erachtet. Der SFB 1244 erforscht die Grundlagen, das Potential und die Auswirkungen dieses Ansatzes. Die Konzepte werden an einem adaptiven Demonstrator-Hochhaus getestet.
Teilprojekte im Bereich der adaptiven Fassaden:
- A01 – Entwicklung von Methoden und integralen Prozessen für die Planung adaptiver Bauwerke
- A07 – Entwurf und Analyse einer anpassungsfähigen kinetischen Hülle zur Optimierung der Lichtverhältnisse und zur Reduktion der Strahlungseinträge in den Stadtraum
- C01 – Adaptive Gebäudehüllen mit mikro- und raumklimatischer Wirksamkeit
Walter Haase
Dr.-Ing.Leitung Arbeitsgruppe "Leichtbau und Adaptive Fassade". Geschäftsführer Sonderforschungsbereich 1244
Maria Matheou
Jun.-Prof.Dr.-Ing.Entwerfen kinetischer Fassaden
[Foto: M. Matheou]