Demonstrator D1244

DFG | SFB 1244: Adaptive Hüllen und Strukturen für die gebaute Umwelt von morgen | 2021

Das erste adaptive Hochhaus der Welt

An der Universität Stuttgart wurde vom Sonderforschungsbereich (SFB) 1244 das weltweit erste adaptive Hochhaus entwickelt.

Seit Januar 2017 gehen vierzehn Institute der Universität Stuttgart in enger interdisziplinärer Zusammenarbeit der Frage nach, wie angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung und schrumpfender Ressourcen künftig mehr Wohnraum mit weniger Material geschaffen werden kann. 

Das Einzigartige an diesem Hochhaus ist die Integration von aktiven Elementen in die Tragstruktur und die Fassade. Diese geben dem Gebäude die Möglichkeit, selbständig auf äußere Einwirkungen wie Wind oder Erdbeben zu reagieren.

Das Ziel des SFB 1244 ist es, für das Bauwesen Antworten auf die drängenden ökologischen und sozialen Fragen unserer Zeit zu finden. Das Bestreben ist die Energie-, Material- und Emissionsbilanz von Tragwerk und Fassade während des gesamten Lebenszyklus des Gebäudes durch die Adaptivität zu optimieren. 

Durch die integrierte Sensorik erkennt das adaptive Hochhaus, der D1244 in sekundenbruchteilen Kräfte, die auf das Gebäude einwirken und kann mit Hilfe seiner Regelungstechnik diesen gezielt entgegenwirken. Die Sensoren erfassen auftretende Verformungen und die im Gebäude verbauten Hydraulikaktoren erzeugen daraufhin gezielt eine Gegenkraft. Diese dient der Dämpfung von Schwingungen und verhindert Verformungen – so kann deutlich leichter gebaut werden als dies ohne Adaptivität möglich wäre.

Der Initiator des SFB 1244, Prof. Werner Sobek, ist zuversichtlich: „Unsere weltweite Spitzenposition im adaptiven Bauen wird mit diesem Forschungshochhaus weiter gefestigt. Noch nie war Architektur so wandelbar, so veränderlich mit der Zeit wie hier“

Entwicklung des adaptiven Tragwerks

Ein interdisziplinares Team von Architekten, Ingenieuren, Systemtechnikern, Maschinenbauern und Informatikern widmet sich der Schaffung der Grundlagen sowie dem Ausloten der Potenziale und Auswirkungen adaptiver Technologien für die gebaute Umwelt. Es ist gelungen nachzuweisen, dass mit dem Einsatz von adaptiven Tragwerken erhebliche Mengen an Baustoffen (und damit verbundene graue Energie und graue Emissionen) eingespart werden können. Die Adaptivität leistet im Bauwesen somit einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung von Material- und Energieressourcen sowie zur Reduktion von Emissionen.

So kann ein dem Demonstrator-Hochhaus vergleichbares Gebäude durch den Einsatz von Aktoren im Tragwerk eine Masseneinsparung von bis fast 50 % erreichen, was mit einer entsprechenden Reduktion der Treibhausgasemissionen einhergeht. Unter der Annahme, dass die Elektrizität in Zukunft vermehrt aus nachhaltigen Quellen erzeugt wird, verringert sich das Treibhauspotenzial für die Antriebsenergie noch weiter.

Eine Adaption von Tragwerkselementen wie am D1244 kann somit zu beachtlichen Erfolgen in der Reduktion von Masse und dadurch auch zur Einsparung von Emissionen beitragen.

Entwicklung der adaptiven Fassadenelemente

Die Fassade des D1244 besteht zunächst aus einer einlagigen, rezyklierten Membrane, die nach und nach durch adaptive Hüllelemente ersetzt wird. Diese neuen Fassadenelemente können zum Beispiel den Licht- und Energieeintrag in das Gebäude, den Luftaustausch sowie den Wärmedurchgang aktiv beeinflussen. Zudem werden bauphysikalische und komfortbezogene Anforderungen an das Innere des Gebäudes mit stadtraumbezogenen Funktionalitäten wie Regenwasser- und Temperaturmanagement kombiniert. Adaptive Hüllkonzepte eröffnen somit ein völlig neuartiges Funktionsspektrum im Fassadenbereich.

Daten zum D1244
  • Das D1244 umfasst 12 Geschosse mit quadratischem Grundriss und weist eine Gesamthöhe von ca. 36,5 m auf.
  • Die Grundfläche eines Geschosses beträgt ca. 25 m²; die Höhe eines Geschosses liegt jeweils bei 3 m.
  • Das Gebäude erreicht einen für höhere Hochhäuser typischen Schlankheitsgrad von 1:7. Somit ist der Transfer der Ergebnisse auf großmaßstäbliche Gebäude leichter möglich.

Aktorik

  • 24 hydraulische Aktoren (8 in den Stützen und 16 in den Windverbänden).
  • Jeder Aktor kann eine Kraft von bis zu 300 kN in das Tragwerk einbringen.

Sensorik

  • Das Hochhaus ist mit insgesamt 128 Dehnungsmessstreifen ausgestattet. Sie dienen der zeitgenauen Erfassung des Beanspruchungszustands der Tragstruktur und ermöglichen es (beispielsweise durch Wind induzierte) Dehnungen in den Strukturelementen in Echtzeit zu erfassen.
  • Ein optisches Absolut-Messsystem erfasst zusätzlich auftretende Verformungen.

Tragwerk und Fassade

  • Das Tragwerk des adaptiven Hochhauses besteht aus Stahl und wiegt 42 Tonnen.
  • Decken und Fassaden wurden in gewichtssparender Holzbauweise realisiert.
  • Durch reversible Verbindungen und den Verzicht auf Verbundbauteile ist das Gebäude zu 100 % rezyklierbar und sortenrein in technische oder biologische Kreisläufe rückführbar.
  • Mitte 2022 werden erste adaptive Fassadenmodule am D1244 eingebaut und getestet.

Weitere Informationen über den Demonstrator auf der Website des SFB 1244

Dieses Bild zeigt Hannah Schürmann

Hannah Schürmann

M.Sc., M.Sc.

Doktorandin

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